Eine Hand voll Erde
 
Die Orte, an denen wir Kindheit und Jugend verbracht haben, prägen sich durch ihre Landschaft und Kultur tief und unverlierbar in uns ein, und die Erinnerung an sie begleitet uns ein Leben lang. Immer wieder vergegenwärtigen sich Bilder, Erlebnisse und Situationen, die einem schöpferisch tätigen Menschen zu einer Quelle der Anregung für seine Arbeit werden können. Ein schöner Beweis für diese Erfahrung war bei einem Konzert zu erleben, das am 18. Februar 2000 im großen Festsaal der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart stattgefunden hat und mit der vorliegenden Auf-
nahme zum größten Teil dokumentiert ist. Isak Roux (*1959) stellt hier eigene Kammermusik-kompositionen aus den Jahren 1990 - 1999 vor. Aufgewachsen im südafrikanischen Durban lernte er früh die vitale und farbenreiche Volksmusik seiner Heimat kennen. Nach dem Abitur studierte er ab 1977 Musik an der dortigen University of Natal und schloss mit dem Master of Music ab. Angeregt durch seinen Mentor Kevin Volans widmete er sich intensiv dem Studium der einheimischen Klangwelt und suchte nach Wegen, ihre Elemente in die Kunstformen neuer Klassischer Musik mit einzubeziehen. So entstand eine Reihe von Werken, die neben der Melodik besonders die rhythmische Vielfalt der Volksmusik aufgreifen. Mit seiner Musik verleiht Isak Roux den Klängen seiner Heimat, die ihm ein wertvolles Stück Identität bedeuten, eine Stimme, die sich nicht im bloßen Nachahmen und Zitieren des Vorgefundenen gefüllt. Vielmehr lassen seine Kompositionen stets die schöpferische Auseinandersetzung mit der Essenz der Volksmusik Südafrikas erkennen. So bilden oft nur einzelne Melodiefragmente odercharakteristische Rhythmen die Keimzellen der manchmal zu aphoristischer Kürze neigenden Stücke. Dabei werden motivische Zentren häufig durch wie improvisiert wirkende Passagen, die sich an typisch afrikanischer Musizierweise orientieren, miteinander verbunden. Dieses collageartige Kompositionsverfahren ist z.B. in dem Stück Kleine Chronik ausführlich angewendet. Darüberhinaus sind die Kompositionen oft auch von Klängen bestimmter Instrumente oder Besonderheiten von Menschen und Landschaften inspiriert. Verknüpft mit den Kompositionstechniken zeitgenössischer und europäischer Musiktradition bilden die Werke von Isak Roux eine Art Brückenschlag zwischen Afrika und Europa und verstehen sich nicht zuletzt als Beitrag zu einer Begegnungverschiedener Kulturen in kosmopolitischer Weise.
Eine Hand voll Erde...
Erschienen 2000